Kleines Haus ganz groß – die wArtehalle Welchenhausen

Meine Neugier treibt mich in die hintersten Winkel – dieses Mal im wahrsten Sinne des Wortes. Denn um die Wartehalle in Welchenhausen zu erreichen, das kleinste Museum der Eifel, fahre ich durch weite Landschaften und idyllische Wälder gefühlt bis ans Ende der Welt – vorbei an Orten, die genau das aussagen: Am Straßenrand erblicke ich das Schild „Haus Nirgendwo“, aber ich bin immer noch lange nicht am Ziel. Denn das liegt im Dreiländereck, unmittelbar an der belgischen Grenze und auch nicht weit von Luxemburg entfernt. Durch das mir vorher noch unbekannte Lützkampen bin ich bereits gefahren, doch damit bin ich noch lange nicht in dessen Ortsteil, der das Ziel all meiner Bemühungen darstellt. Und als ich dann schließlich in Welchenhausen stehe, vor der Bushaltestelle, ist alles, was innerhalb von 20 Minuten an Verkehr an mir vorbeikommt, ein einzelnes, analoges, unmotorisiertes Fahrrad.

Also stehe ich tiefenentspannt im Sonnenschein Ende September mitten auf der Straße und fotografiere das Objekt meiner Begierde: klein, schmuck und interessant – die wArtehalle Welchenhausen. Und nein, ich habe nicht die Shift-Taste zu spät gedruckt, wArtehalle ist richtig, denn es geht um Art = Kunst!

Die Tür steht offen hier am friedlichsten Ort auf dieser weiten Erde, denn es gibt keine Tür. Und nicht nur das: Es ist immer noch ein Wartehäuschen, und hier hält immer noch der Bus! „Welchenhausen Ort“ heißt die Haltestelle, und die 462 nach Sevenig (Our), die 485 nach Stupbach und der RufBus kommen regelmäßig hier vorbei. Der Platz wurde nach einem bekannten Sohn der Ortschaft benannt, nach Theodor Wiesen, einem Art-Brut-Künstler, der 1999 verstorben ist. Und wie es sich angesichts eines derartigen Namensgebers gehört, ist überall Kunst: innendrin im Wartehäuschen, „außen dran“ und drumherum. Ordentliche Fenster mit sauber geputzten Scheiben, Blumenkästen, die hölzerne Skulptur „Telamon“ von Ludger Beyer als Türwächter, Fotocollagen, Plakate und Übersichtstafeln wie die zum Skulpturenweg und der KultOurstraße sorgen schon von außen dafür, dass ich reichlich zu lesen und zu schauen bekomme.

Im Inneren finden Besucher welchselnde Ausstellungen vor – in meinem Fall im September 2025 sind es dreidimensionale Werke der in Vianden lebenden Künstlerin Christiane Schmalen, die unter dem Titel „Moien“ (Luxemburgisch für „hallo“) Wände und Decke bevölkern. Sie sind meist mit Leinöl-Eitempura auf verschiedenen Materialien aufgebracht, als Windspiel aus Holzbrettchen, in Brotkisten, in oder auf Upcycling-Holzschalen, experimentell und exotisch und doch gegenständlich genug, dass man etwas damit anfangen kann. Preise auf Anfrage, lese ich. Also, nicht nur schauen, auch kaufen ist hier möglich!

Und drumherum? Im verschlafen wirkenden Ortskern zwitschern die Vögel und läuten die Kirchenglocken. Neben der Wartehalle verleitet mich ein Unterstand mit Sitzgelegenheiten dazu, mich über Infotafeln mit Texten und Bildern noch näher mit der Geschichte des Kunstprojekts vertraut zu machen. Und die ist spannend, denn 2002, als nur noch ein einziges Schulkind im 35-Seelen-Örtchen die Bushaltestelle nutzte, zündete die Idee, kam es zur Initiative und zur Gründung des Museumsvereins. Das ganze Dorf packte mit an und stellte ein beispielloses Projekt auf die Beine. Im Sommer des gleichen Jahres fand bereits die erste Ausstellung statt in dem Häuschen, dessen Tür täglich und rund um die Uhr offen steht und das bereits 60 Ausstellungen einen einzigartigen Rahmen bot. So bildet dieser winzige Ort im Dreiländereck auf seine Weise das Herz eines grenzüberschreitenden kulturellen Netzwerks. Ich schaue mich um und spüre den Anfängen nach, der Begeisterung, die immer größere Wellen schlägt und sich damit immer weiter in alle Richtungen verbreitet. Wenn ich daran denke, das sich woanders nicht einmal jemand traut, an einer Rechts-vor-links-Kreuzung Striche auf die Fahrbahn zu malen oder eine Bank aufzustellen, weil die ja gewartet werden muss… Hut ab vor so viel Engagement und Energie. Ich seufze sehnsüchtig. Das ist die Eifel! Das mag ich hier so! Hier wird einfach gemacht, was notwendig ist, und jeder fasst begeistert mit an. Ist es nicht das, was Menschsein und Gemeinschaft ausmacht?

Auch draußen begleitet mich Kunst aller Art, die in den letzten 20 Jahren dort angehäuft wurde – installiert wäre ein passenderes, künstlerischeres und vor allem angemessen wertschätzendes Wort dafür: Steinskulpturen, eine alte Ölpumpe, deren Inneres sichtbar offengelegt wurde, Fotowände auf einer Wiese mit Menschen aus der Region, ein religiöses Schieferkreuz aus der Zeit um 1880. Ich schaue und staune, wandere von Kunstwerk zu Kunstwerk und lese, was auf den Infoschildern darüber geschrieben steht. Was für eine Vielfalt! Es gibt nichts, das es nicht gibt.

Und wo die Kunst endet, führt eine kleine Straße über die belgische Grenze ins nur 1 km entfernte Oberhausen. (Ich grinse und denke an die große Stadt im Ruhrgebiet. Wusste gar nicht, dass das so nah ist. Bei Gelegenheit muss ich mal einen Scherz darüber machen…) Mein Blick schweift über die herrliche Landschaft, und ich wende mich wieder von meinen albernen Gedanken ab und erfreue mich an dem Anblick. Hier kann man auch hinunter wandern zur Our. Oder bergauf dem Skulpturenweg folgen. Reichlich Gelegenheit, zu verweilen und die Gegend zu erkunden. Und auch für mich ein guter Plan für weitere Ausflüge.

Hier kann ich mich wohlfühlen!

 

Weiterführende Informationen:
Welchenhausen – Dorfstraße 16, 54617 Lützkampen
www.kult-our-tal-museum.de

Parkgelegenheit:
Besucherparkplatz an der wArtehalle, Welchenhausen, Dorfstraße 15, 54617 Lützkampen