Dem Herbstwald auf der Spur -Waldpfad im Prümer Tettenbusch

Wenn Bäume sprechen könnten … Bedenkt man die Geschichte der Eifel und das Alter so mancher Bäume vor Ort, so ist es immer eine besonders spannende Sache, hier im Wald unterwegs zu sein. 2022 (kurz nach meinem letzten Besuch) wurde im Prümer Tettenbusch ein neuer Waldpfad eingerichtet, der ein tieferes Naturerlebnis ermöglichen und zudem wertvolle Informationen zum Wald und zur Forstwirtschaft bieten soll. Solche Themenwege kombinieren mittlerweile Infotafeln mit QR-Codes, die vor Ort abgerufen werden können und mit zusätzlichen Audiodateien abwechslungsreich Auskunft geben. Ich werde neugierig und nutze einen sonnigen Herbsttag Ende Oktober, um den neuen, 4,7 km langen Rundweg zu erkunden.

Die Route startet gleich neben dem Postferiendorf am oberen Ende der Straße „Pferdemarkt“, wo auch Platz zum Parken vorhanden ist. Hier laufe ich nicht weiter bergauf, sondern wende mich nach rechts, wo ich auch sofort von der Eingangstafel des Waldpfades begrüßt werde – und natürlich von einer schönen Bank; aber vielleicht sollte ich erst einmal starten? Bereits hier gelange ich über einen QR-Code auf die Seite des Landesforst Rheinland-Pfalz und werde beim Abrufen des Audiobeitrags angemessen begrüßt. (Übrigens, hier oben ist der Empfang ziemlich gut!) Schön ist es hier zu jeder Zeit: Im Frühjahr mit 1000 Grüntönen, im Sommer durch angenehme Kühle, und im Herbst sind es die Rot-, Gelb- und Brauntöne, die sich in das letzte Grün mischen. Am Wendepunkt der Route, etwa zur Halbzeit, freue ich mich schon jetzt auf einen Ort, den ich auch bei meinem letzten Ausflug in den Tettenbusch besuchte und wo ich nun erneut einen kleinen Eindruck in das winterliche Prüm erhaschen kann. Aber so weit bin ich noch nicht. Begleitet von bunten Bäumen, moosüberwucherten Wurzeln und Pilzen geht es über den breiten Waldweg zügig vorwärts. Das Laub raschelt unter meinen Füßen, hier und da höre ich ein Tierchen im Unterholz oder die Vögel in den Bäumen.   Ich kann mich nicht sattsehen an dem Laub, und jeder einzelne Baum scheint mindestens drei Farbtöne in seinen Blättern zu vereinen. Ein Farbenspiel, dem ich mich auch mit meiner Kamera ausgiebig widme, besonders, wenn die Sonne durch das Laub scheint. Die erste Tafel gibt Auskunft zum Waldumbau, an einer Stelle, an der lange Zeit nur Fichten angebaut wurden und sich nun langsam ein Mischwald entwickelt. Als sehr eindrucksvoll empfinde ich das Schild, auf dem deutlich wird, dass Fichte und Douglasie angesichts der steigenden Temperaturen und mehr Trockenheit für unsere Wälder recht ungeeignet sind. Besser sieht es da schon mit Buchen, Eichen, Weißtannen und Kiefern aus.

„Aha!“ Neugierig ziehe ich weiter, nicht ohne immer wieder stehen zu bleiben, um die bunte, vielfältige Natur zu betrachten, sie zu genießen und natürlich zu fotografieren. 421 Fotos mache ich bei diesem Ausflug, so sehr hat die Natur mich gepackt. Keine weiteren Fragen … Oder doch? Sobald ich die Infoschilder erreiche, steigt mein Wissensdurst. Und ich lerne spannende neue Begriffe wie „ungleichaltriger Mischwald“ – und warum er so wertvoll ist. An Station 5 erfahre ich, wie der Wald, bedingt durch Klimaveränderungen, in unseren Breiten entstand und sich veränderte und warum es durch die Nutzung durch Menschen keine unberührten Urwälder mehr gibt. Der Tettenbusch hatte das Glück, dass die frühen Eigentümer, das Prümer Kloster und die Kurfürsten von Trier, finanziell nicht vom Wald abhängig waren und daher weniger intensiv Forstwirtschaft betrieben, und das vor allem in Form von Niederwaldbewirtschaftung mit Eichen; das Holz diente als Brennholz, die Rinde wurde auch zur Ledergerbung genutzt. Erzählt wird das Ganze, während ich unmittelbar vor einer etwa 120 Jahre alten Buche stehe. Was haben diese Bäume nicht alles schon gesehen und miterlebt? In einigen finden sich heute noch Bombensplitter aus dem Zweiten Weltkrieg.

Kurz darauf führt mich der Weg an die Schneise der Wolfsschlucht und hinab zur Skihütte. Die Aussicht ist grandios: Zunächst offenbart sich – eingerahmt vom bunt leuchtenden Wald rechts und links – der gegenüberliegende, ebenso bunt bewachsene Höhenzug, und dann, wie eine Krone darauf, Weinsheim, das dort in der Sonne zu thronen scheint. Je tiefer ich komme, desto mehr verschiebt sich die Perspektive. Weinsheim wird kleiner, die Landschaft zum Tal hin sichtbar, und die Skihütte weckt meine Neugier. (Heute habe ich leider kein Glück, doch auch in den Sommermonaten ist sie zeitweise geöffnet und vom Ski-Klub Prüm bewirtschaftet, so dass Wanderer und Ausflügler dort Rast machen können.) An der Tafel mit der Übersicht über die Skigebiete schaue ich mich um. Die Vorstellung, hier im Winter bei Schnee hinunterzusausen (vorausgesetzt, man beherrscht seinen Ski oder Schlitten), ist atemberaubend. Hier muss ich mich noch eine Weile herumtreiben und die Schönheit der Landschaft, der Farben und der Ausblicke genießen und mit der Kamera festhalten.

Nur wenig später gelange ich an die Clemens-Hosius-Hütte, wo ein eindrucksvoller Baumstamm – mit kunstvoll geschnitzter Glühbirne! – als „Klimastamm Strom“ veranschaulicht, wie viel Strom eine Person in Deutschland durchschnittlich verbraucht, und was das für die CO2-Bilanz bedeutet – und wie Bäume unser Verhalten ausgleichen. Ein ähnlicher Baum, jedoch mit einem geschnitzten Auto, findet sich später auf meinem Weg, an Station 10. An diesen beiden Infopunkten gibt es nichts zu hören, aber reichlich Lesestoff. Zum Verdauen bietet sich, zumindest hier, eine ausgiebige Pause in der gemütlichen Hütte an – mit herrlichem Ausblick auf eine Feuerstelle und natürlich auf den „Klimastamm Strom“. Ruhe macht sich breit, Klarheit und der Wunsch, hier meinen Gedanken Raum zu geben. Ich bleibe fast eine Stunde hier sitzen und schaue aus der Hütte hinaus auf die sonnige Waldlichtung. Und mir fällt ein Ausspruch ein, den mein Vater gerne zitierte: „Manchmal sitze ich und denke – und manchmal sitze ich auch nur.“

Wie wertvoll ist doch der Wald! Das spüre ich eigentlich sofort, auch ohne das Audio der Station 8 zu hören, das ich vor einem idyllischen Tümpel genieße und in dem deutlich gemacht wird, wie wichtig das Auffangen und Filtern des Regenwassers durch den Wald für unser aller Leben ist. Doch zusätzlich erfahre ich auch Dinge, die noch weitaus weniger offensichtlich sind, wie zum Beispiel, dass Nadelbäume mehr Wasser brauchen als Laubbäume. Oder, im weiteren Verlauf der Tour, dass mehr Menschen in der Wald- und Forstwirtschaft arbeiten als im Maschinen- und Anlagenbau oder in der Automobilindustrie. Oder dass Stämme (zum Beispiel für Blockhäuser) zwischen Voll- und Neumond geerntet werden sollten, da der Wassergehalt zum Neumond hin abnimmt und das Holz dann weniger arbeitet. Meine Finger fahren ehrfürchtig über die grobe, rissige Rinde der Douglasie, von der ich an Station 9 erfahre, dass sie etwa 120 Jahre alt ist. Eine lange Zeit, in der dieser Baum eine gewaltige Höhe und einen beachtlichen Umfang erreichte.

Irgendwann reiße ich mich wieder los. Der Weg führt schräg hinauf auf die etwas höher gelegene, parallel verlaufende Trasse (markiert als Prümer Land Tour Route 1 und Stadt Prüm 3). Schon bald bieten sich nun zur Linken fast schon spektakuläre Ausblicke auf die gegenüberliegende Höhe, und ich gelange, vorbei am Forstamt, auf das ich hinabschauen kann, hinunter an den Waldrand am Schneifelweg. Von hier aus geht es steil rechts bergauf zum Ausgangspunkt, wo ich mich nur widerwillig von der bunten Pracht verabschiede. Noch duftet es nach Moos und Pilzen und herbstlichem Wald, noch richtet die Sonne durch das Blätterdach einzelne Spots auf mich, die ich als Sonnensterne zu verewigen versuche. Das Laub raschelt bei jedem Schritt, und hier oben herrscht eine Ruhe, die ewig scheint und mich ganz und gar einhüllt und mir Geborgenheit schenkt.
Doch gleichzeitig zieht mich die Neugier schon wieder weiter, weil sich hier, auf dem Weg über die Straßen hinunter in das geschäftige und liebenswerte Prüm, spektakuläre Ausblicke auf die Stadt und ihre in der Sonne leuchtende Basilika ankündigen. Ich schaue noch einmal zurück auf den Wald, der mich nun eine Weile beherbergt hat. Schön war’s! Ich komme wieder! Und denke an den zutiefst berührenden und ach so wahren Ausspruch Eugen Roths, der an Station 5 zitiert wird: „Zu fällen einen schönen Baum, braucht’s eine halbe Stunde kaum. Zu wachsen, bis man ihn bewundert, braucht’s, Mensch, bedenk es, ein Jahrhundert.“

 

Weitere Infos:
Tourist-Information Prümer Land, Haus des Gastes, Hahnplatz 1, 54595 Prüm, www.ferienregion-pruem.de

https://www.wald.rlp.de/forstamt-pruem/angebote/waldpfad

Öffnungszeiten der Skihütte: https://www.facebook.com/SkiKlubPruem

 

Clemens-Hosius-Hütte und der „Klimastamm Strom“
Skihütte Wolfsschlucht mit Aussicht

Das Konzert mit dem Paukenschlag – die MozartWochenEifel 2024 und ihr Eröffnungskonzert

Zum letzten Mal in diesem Jahr bin ich in der Eifel, und wieder treibt die Neugier mich in neue, mir noch unbekannte Gefilde: ein neuer Waldpfad, ein Riesenstuhl (über beides werde ich noch berichten), aber auch noch etwas ganz Andersartiges erregen meine Aufmerksamkeit und ziehen mich in ihren Bann. Die Rede ist davon, dass das Eröffnungskonzert der MozartWochenEifel 2024 noch während meines Aufenthaltes stattfindet, und zwar an einem Ort, der mich immer wieder in eine ganz besondere und sehr andächtige Stimmung versetzt, nämlich die Basilika in Prüm.

Zunächst ist das – abgesehen von meinem Interesse – für mich nicht mehr als ein zusammengesetztes Wort aus drei Bestandteilen: Mozart, Wochen und Eifel. Ein bekannter Komponist, ein Zeitraum und meine Lieblingsregion, quasi zu einem Wort verschmolzen. Der Flyer zu der Veranstaltungsreihe verrät mir mehr. Im Verlauf von drei Wochen werden insgesamt acht Konzerte mit verschiedenen Programmpunkten und Mitwirkenden an besonderen Eifeler Orten gegeben, eines davon sogar in Luxemburg. Zum achten Mal findet das Festival nun statt, das als herausragendes Kulturereignis zwischen Mosel, Eifel und Ardennen gilt und dessen Organisation zentral über die Tourist-Information Prümer Land abgewickelt wird. Und tatsächlich stelle ich bei meinem Besuch fest, dass die Menschen weite Wege auf sich genommen haben: Direkt neben mir sitzen beispielsweise ein Herr aus Traben-Trarbach und eine Dame aus Montabaur mit Wurzeln unweit von Prüm.

Die Sankt-Salvator-Basilika, die etwa 600 Plätze fasst, füllt sich rasant – beim Herausgehen werde ich feststellen, dass einige Menschen sogar auf Sitzkartons aus Pappe Platz genommen haben, um den Klängen lauschen zu können. Bereits im Vorfeld hatte ich von der großen Freude erfahren, die insbesondere bei den Chören herrschte, fusionierten doch eigens zu diesem Zweck mehrere Gemeinschaften zu einem großen Festivalchor: Die Kirchenchöre Olzheim und Stadtkyll wurden ergänzt durch Mitglieder des Kammerchores der Region Westeifel und regionale Sängerinnen und Sänger. Mittlerweile halte ich auch ein detailliertes Programm zur Eröffnungsveranstaltung in den Händen und stelle interessiert fest, dass die hochkarätigen Solisten Ursula Thies, Sandra Schares, Marc Dostert und Harald Thome bei all ihren internationalen Qualifikationen entweder aus der Eifel stammen oder hier ihren Wohnsitz haben. Dirigent Martin Leineweber, der sich ebenso exzellent auf mehreren Kontinenten auf seine Aufgabe vorbereitete, hat sogar quasi ein Heimspiel, ist er doch im Alltag Lehrer am Regino-Gymnasium in Prüm. Und eine große Aufgabe hat er auch, denn er muss nicht nur mehrere Chöre und Solisten unter Kontrolle behalten, sondern auch noch ein Orchester, nämlich das Kurpfälzische Kammerorchester Mannheim. Und dann gibt es natürlich noch das Instrument, das ein fester Bestandteil dieser herrlichen Kirche ist: An der beeindruckenden Orgel – das Gehäuse wurde 1721 erbaut! – sitzt eine klein wirkende, sehr eindrucksvolle Person mit südkoreanischen Wurzeln und einem bemerkenswerten Lebenslauf, auch als Dozentin: die Regionalkantorin Dayoung Kang.

Meine Gedanken schweifen sofort ab. Als Kind erhielt ich einige Jahre, recht erfolgreich, Unterricht an der elektronischen Heimorgel. Irgendwann stand im Raum, ob ich auch in der Kirche Orgel spielen könne? Aber ich lehnte ab, weil mir der Unterschied zwischen den beiden Instrumenten, der wuchtigen Kirchenorgel mit ihren Registern und Manualen und meinem geliebten, aber doch recht quäkigen Teil mit dem Lautsprecher einfach zu groß war. Hätte ich jemals so eine Orgel beherrschen können? Auch die klassische Musik ist mir nicht fremd. Wie oft war ich dabei, wenn meine Eltern im Kirchenchor gesungen haben? Ein oder zwei Jahre war ich sogar selbst Mitglied und sang mit Begeisterung „Jesu, meine Freude!“

Nun sitze ich hier und studiere das Programm: Schwerpunkt in diesem Jahr ist tatsächlich nicht Mozart, der natürlich seinen Platz erhält, sondern Joseph Haydn, der zu seinen Lehrern gehörte. Ich persönlich freue mich besonders, als ich auch ein Stück von Bach auf dem Spielplan entdecke: Toccata und Fuge in d-Moll! Ich könnte es nicht auswendig spielen, aber ich weiß, dass ich es mag.

Endlich geht es los, und zwar nach den eröffnenden Worten des Verbandsbürgermeisters Aloysius Söhngen und des Professors Georg Mais, der sich hinsichtlich der Organisation und des Programms mit der Tourist-Information im regen Austausch befand. Für geraume Zeit bestimmen lediglich die Kantorin und ihre Orgel meisterhaft das Geschehen. Mit feinen Tönen und großem Brausen – und mit einem Paukenschlag! Ja, auch wenn er an der Orgel gespielt wurde: Es ist definitiv ein Paukenschlag, der mich zusammenzucken lässt. Die Klänge erfüllen den Raum und jeden einzelnen Zuhörer, vermitteln die verschiedensten Emotionen und Stimmungen. Menschen schließen die Augen (ich auch!), um alles tief in sich eindringen zu lassen, und an diesem Ort, an dem man ohnehin so viel fühlen kann, gelingt dies ganz besonders gut. Manch einer schaut auch zur Decke, und auch dies ist ein Genuss, der Blick in den Himmel, symbolisiert durch die Gewölbe, als Verbindung nach ganz oben, getragen von der Musik Mozarts, Haydns und Bachs.

Viel zu schnell hat die wunderbare Künstlerin ihr großes Werk vollbracht, und es geschieht ein eindrucksvoller Aufmarsch der Chöre, Solisten und des Orchesters. Nun gibt es auch im Altarraum etwas zu sehen. Und zu fühlen! Denn es wird laut und leise, heilig und jubilierend, andächtig und machtvoll. Manchmal reißt es mich fast vom Stuhl, und ich glaube die himmlischen Heerscharen zu spüren, dann wieder fühle ich Stille und Sehnsucht, wie ich sie immer wieder auch in mir wahrnehmen kann. Wo so viele Menschen mit Inbrunst und Herzblut Haydns „Paukenmesse“ in Szene setzen, schwingt so viel wunderbare Energie, so viel Freude am Leben und an der Musik im Raum. Und diese Welle, begleitet von den stehenden Ovationen des Publikums und der Euphorie der Künstler über ihre Leistung und deren Anerkennung, trägt mich nach dem Konzert wieder hinaus in den Herbstnebel und wird mich auch am nächsten Tag wieder zurück an den Niederrhein geleiten.

In den kommenden Wochen wird die Musik noch viele Menschen beglücken und bezaubern – danke, Mozart, dir und deinen Wochen!

 

www.mozartwochen-eifel.de

 

Die Solisten (v.r.): Ursula Thies, Sandra Schares, Marc Dostert und Harald Thome
Regionalkantorin Dayoung Kang vor der Orgel der Sankt-Salvator-Basilika Prüm