„Geh mal ins Museum in Prüm! Es wird dir gefallen!“ Diese Worte hörte ich bereits des öfteren von meiner Freundin, und mittlerweile habe ich diesen Rat bereits zweimal befolgt. Es ist interessant: Bei einem zweiten Besuch gibt es Ausstellungsstücke, auf die man sich bereits im Vorfeld freut wie ein kleines Kind! Bei mir sind es der Zinnteller, aus dem ich selbst als Kind gegessen habe (natürlich nicht aus genau diesem, aber er sah identisch aus) und das Modell der Stadt Prüm, wie sie 1769 vor dem großen Brand ausgesehen haben muss.
Wenn ich „kulturgeschichtliche Sammlung“ lese, klingt das erst einmal langweilig. Doch wenn die Ausstellung in Prüm eines nicht ist, dann das! Sie befindet sich in einem Seitenflügel des Rathauses und geht auf insgesamt 1000 m² über vier Etagen. „Eine Zeitreise durch die Geschichte des Prümer Landes“, so heißt es auf der Homepage. Ja, das trifft es schon eher, und ist doch immer noch zu kurz gegriffen. Für mich ist es auch eine Reise in meine Kindheit, denn auch wenn die bedauerlicherweise nur wenige Wochen im Jahr hier im Prümer Land stattfand, so gibt es doch etliche Ausstellungsstücke, die sicherlich jedem Besucher aus seiner Kindheit bekannt ist – es sei denn, er ist noch sehr jung.
Nun ist es also so weit: Ich besuche endlich wieder die 12000 (!) spannenden Ausstellungsstücke und freue mich wie ein Kind darauf! Die bunte Vielfalt beginnt in der 1. Etage gleich hinter der Kasse mit den Exponaten aus der Glockengießerei Weinsfeld, die zwischen 1461 und 1587 Weltruhm erlangte. Diese erste Etage ist übrigens barrierefrei und legt auch inhaltlich die Basis für mein Erlebnis: Im Flur dreht sich alles um die Geschichte Prüms. Eindrucksvoll und übersichtlich sind die Anfänge der Abtei ebenso dokumentiert wie die Hintergründe der enormen Entwicklung der Stadt als Zentrum der geistlichen Macht, in deren Schatten unzählige Siedlungen als Rodungen angelegt wurden. Karten, Fotos, Kunstprojekte und Schautafeln veranschaulichen die erläuternden Sachtexte. Daneben finden sich Schreib- und Rechenmaschinen, Grammophone und Schallplattenspieler, alte Schilder sowie alles, was zu schwer ist, um in den anderen Etagen ausgestellt zu werden: Maschinen, geologische Fundstücke, Versteinerungen und Relikte aus der Stein-, Kelten und Römerzeit. Und eine historische Kneipe! Zu manchen Themen können zusätzlich per QR-Code Videos und Informationen abgerufen werden. Von Zeit zu Zeit laden Stühle zum Verschnaufen ein, doch Augen und Hirn können keine Pause machen. Selbst das Treppenhaus ist vollgestopft mit interessanten Dingen, Informationen, Flaggen, Fotos, Modellen und Schautafeln zu historischen Ereignissen bis hin zum historischen Feuerwehr-Spritzenwagen oben unter dem Dach. Hier oben befindet sich zudem auch eine lichtdurchflutete Remise, die bis unter das nachgebaute Scheunendach angefüllt ist mit altem landwirtschaftlichem Gerät – eine Zeitreise für alle Sinne! Im Anschluss erwartet mich eine abwechslungsreiche Tour durch die Geschichte von Handel und Gewerbe. In jedem Raum wartet ein anderes Abenteuer: ein Tante-Emma-Laden, eine Schulklasse, eine Apotheke, eine Zahnarztpraxis, eine Post, ein Damen- und Herrenfriseur, historische Geräte zur Milchverarbeitung, Korbherstellung, zum Imkern, Waschen, Kochen, Nähen, Schneidern, Spinnen, Weben, Töpfern, Schmieden, Filmen und Fotografieren. Doch damit ist noch längst nicht Schluss: Alte Wasserleitungen, Werbe- und Hinweistafeln, echte Prümer Holz-Kleiderbügel, Fernseher aus längst vergangenen Zeiten und noch unendlich viel mehr runden das bunte Bild ab!
Und was liegt dazwischen? Die Puppen aus den Kasperletheatern haben teilweise die gleichen Gesichter wie die aus meiner Kindheit! Gretel, Kaspar, die Prinzessin, der Polizist… Ich hatte noch ein Krokodil. Wenn ich denke, dass deren Stoffumhänge längst in Fetzen hängen… Aber es gibt sie noch! Wäre meine Mutter noch am Leben, würde sie neue Umhänge nähen. Hier in der 2. Etage dreht sich alles ums Spielen: bunte Schaukelpferde, Puppen, Baukästen, Spielkarten und Brettspiele aus den verschiedensten Epochen. Auch ein Hochrad fehlt nicht und allerlei Kuriositäten! Im Treppenhaus dann wieder Informationen zu den Burgen im Prümer Land, zu Ereignissen wie dem Zeughaussturm, der Explosion am Kalvarienberg, Prüm zur Zeit der Gotik, Reformation und Gegenreformation, im 2. Weltkrieg und während der Zeit bis zur Verwaltungsreform 1971.
Gleich im Anschluss wieder etwas völlig anderes: Hüte und Kleidung, eine alte Küche, eine Kapelle und eine Klosterschreibstube mit religiösen Exponaten, Messgewändern, Wege- und Grabkreuzen. Der Weg führt vorbei am Goldenen Buch von Prüm und an Stuben, die bäuerliche Wohnkultur und bürgerliche Einrichtungsstile vom Biedermeier bis in die 1950er Jahre demonstrieren. In einem Regal im Flur steht das Radio, das in den 1970er Jahren noch im Wohnzimmer meiner Eltern seinen Platz hatte, und daneben die älteren Modelle der vorangegangenen Epochen. Im gleichen Flur: Hutnadeln!
Irgendwann schwirrt mir der Kopf! Sicher habe ich noch nicht einmal die Hälfte der Exponate überhaupt wahrgenommen! Aber es tut so gut, für ein paar Stunden abzutauchen aus unserer Zeit in eine andere, die nicht besser war, nur anders – aber diese Veränderung, diese Zeitreise, tut gut, entschleunigt, macht nachdenklich und entführt mich in eine andere Welt.
Ich werde meine Wanderung durch die Zeiten fortsetzen. Bald komme ich wieder! Und besuche natürlich wieder als erstes „meinen“ Teller. Und Papas Radio. Und den Kasperl. Ganz bestimmt! Au revoir, liebes Museum! Schön, dass du da bist!
Weiterführende Informationen: www.museum-pruem.de
Öffnungszeiten:
1. Juni – 15. September: Di, Do, Sa + So14-17 Uhr
16. September – 31. Mai: Mi, Sa + So 14-17 Uhr
(an Feiertagen geschlossen!)
Eintrittspreise (03/2023): Erwachsene 2 €, Kinder 1 €, Kinder bis 10 Jahre und Schulklassen frei
Museumsrallye: https://www.museum-pruem.de/museumsralley